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Mail zum "esoterischen Jugendkreis"

liebe X,


deine Empfindung, dass mein dir zugesandter Text unfertig ist, täuscht nicht. Er wird in irgendeiner Form dann forzuführen sein, nachdem sich die Stilformen innerhalb der anthroposophischen Bewegung in den nächsten Monaten und Jahren verdeutlicht haben werden. Dann werden sich die mit geisteswissenschaftlichen Initiativen verbundenen Anstrengungen von den popularisierenden oder nivellierenden Darstellungen der verbandsanthroposophischen Institutionen klarer trennen. Jetzt ist noch vieles vermischt, was zu falschen Erwartungen und illusionären Forderungen Anlass gibt.


Ich weiss nicht genau, ob mein Hinweis auf den sog. esoterischen Jugendkreis so verstanden werden kann, dass ich an seine ursprünglich in den Begründern und ihrem Ratgeber Rudolf Steiner wirksame Idee anknüpfe. Nur so war er gemeint. Ihre Begründungsmitglieder (Rath, Lehrs, Maikowski, Hahn, Walther u.a. - bei der Begründung waren es 12) haben etwas angestrebt, was etwas Urbildliches einer jeden Gruppierung innerhalb der lebendigen "anthroposophischen Bewegung", wenn wir sie weiterhin so nennen wollen, offenbar werden liess. Und was in gleich intim gegen innen gerichteten Darstellung im umfassenderen Zusammenhang der Begründung der Weihnachtstagungsgesellschaft nicht zum Ausdruck kommen konnte.


Dass der Impuls versickerte - vor allem, als sich Lehrs und Rath nicht mehr nahe standen - ist heute unwichtig geworden, da es ohnehin nicht um eine historische Kontinuität mehr gehen kann, sondern dass ihr Bestreben zu der erläuternden Hilfestellung Rudolf Steiners Anlass gab, in derem Verlauf er die moralisch-geistigen Bedingungen für das erkenntnischristliche, zeitgemäss michaelische Gemeinschafsleben zum Ausdruck brachte, die sonst nicht erfolgt wären. Die „Frühgeburt“ des "esoterischen Jugendkreises“ war notwendig, damit seine geistige Grundlage in unseren Tagen wieder aktiviert werden kann. (Auch die feine Divergenz der GründerAnthroposphen des Jugendkreises zur Institution der Christengemeinschaft, wie sie an einem bestimmten Vorgang mit Emil Bock zu Tage trat, ist symptomatisch). - Wir sind den Herausgebern von GA 266/3 zu grossem Dank verpflichtet, dass sie 1998 den zuvor mit einem verwirrenden Hauch des Geheimnisses behangenen Jugendkreis in seinem historischen Entstehen, verbunden mit allen zugänglichen Berichten, Erinnerungen und Protokollen veröffentlicht haben. - Wenn dies Herbert Witzenmann noch hätte zur Kenntnis nehmen können, so wären vermutlich seine einschränkenden Bemerkungen zu dem damals noch wirksamen Jugendkreis noch anders ergänzt worden. Er hat sie ja aufgrund von konkreten Erfahrungen von „Esoterik spielenden Nachläufern“ des Jugendkreises gemacht, die sich auch innerhalb der von ihm geleiteten Jugendsektion bemerkbar machten. Auch mir wurden anfangs der 90-er Jahre ungefragt die Meditationen des Jugendkreises von einem bekannten „Hellseher“ zugestellt mit dem Hinweis, mich an Jörgen Smit zu wenden (damals seit längerem im Vorstand), der die „regelrechte Aufnahme" besorgen würde.


Also sehen wir von allem ab, was später schief lief. Meine Begegnungen mit Lehrs zeigten tragische Engführungen, die bedeutenden Leistungen von Wilhelm Rath, Herbert Hahn u.a. Mitgliedern des ursprünglichen Jugendkreises liegen, sind, trotzdem sie weitgehend vergessen sind, dennoch beachtenswert. Besonders einige der Schriften Raths verdienen seit Jahren ihre Wiederveröffentlichung. So möchte ich allein auf die ursprünglichen Ideale hinschauen, die sich allmählich in den Begegnungen mit Rudolf Steiner herauskristallisierten, um sie in geänderter Zeit neu wahrzunehmen und zu beleben. - Ich bin damit, wie Du vielleicht weisst, seit vielen Jahren im Hinblick auf das Seminar und seines historischen Zusammenhanges mit der von Rudolf Steiner mit Maria Röschl - Lehrs begründeten Jugendsektion bemüht. In der zur Zeit neu entstehenden Webseite des Seminars werde ich das eine oder andere hoffentlich inhaltlich ausführen können. Oder dazu andere anregen.

Nur einer der vielen bedeutenden Ratschläge, die Rudolf Steiner den Gründungswilligen des „esoterischen Jugendkreises“ gegeben hat (anderes sei Deinem erstmaligen oder erneutem Studium in GA 266/3, ab S.389 überlassen) und die Ernst Lehrs in seinem umfassendsten aller Berichte über seine Entstehung mitteilt:

„ Im physischen Felde ist heute die ahrimanische Macht so stark, dass kein einzelnes menschliches Ich ihr gewachsen ist. Daher kann heute kein menschliches Ich dafür garantieren, dass es einen Entschluss, sofern er eine physische Tat betrifft, auch ausführen kann. Das Feld aber, auf dem Sie sich nun vorgenommen haben, Taten zu tun, ist eines, zu dem die ahrimanische Macht keinen Zutritt hat. Daher ist die Durchführung dessen, was Sie sich hier vorgenommen haben, allein von Ihnen selber abhängig. Daher haben Sie hier die erste Gelegenheit, Taten in Freiheit zu tun, und somit die erste Gelegenheit, Treue zu üben.“ (S.441)

Mit herzlichem Gruss,

Reto Andrea Savoldelli


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