Als ein die aktuellen Ereignisse kritisch begleitender Zeitgenosse fällt mir folgendes auf: Im Gegensatz zu den aus den Reihen der Mediziner sich mehrenden Protesten gegen die Regierungspolitik, ist vonseiten der Universitäten – soweit mein Blick reicht – nichts zu hören. Die Philosophen, Soziologen, Staatsrechtler und übrigen Geisteswissenschaftler, deren Intelligenz doch gewiss ausreicht, das üble Spiel zu durchschauen, halten sich eher bedeckt.
Ähnliche gemeinsame Aktionen, wie sie verantwortungsbewusste Ärzte unternehmen, sind zu vermissen. Erstaunlich ist das insofern, da die meisten der freilich wohlversorgten Damen und Herren die „freiheitlich demokratische Grundordnung“ sicherlich wertschätzen. Das heißt, in der Theorie wird davon uneingeschränkt Gebrauch gemacht. Wer denkt nicht an die schönen Worte vom „herrschaftsfreien Diskurs“, „Diskursethik“ und weitere hochtönende Deklamationen, was einen ergiebigen literarischen Niederschlag gefunden hat. Und in der Tat ist vielleicht zu viel verlangt, wenn man die Erwartung hegt, dass sich die geistige Elite für die demokratischen Rechte der Bevölkerung einsetzt, die zudem nach wie vor diejenigen Parteien wählt, die sich für eine erkältungsfreie Volksgesundheit wie noch nie ins Zeug legen. Die Freiheit derjenigen, die es veranlassen bzw. wohlstandshalber mittragen, bleibt ja bis auf weiteres unangetastet.
Gesetzt, man will die Unwahrheit, warum nicht lieber die Wahrheit? Es lassen sich im wesentlichen folgende Gründe hierfür finden: Materielle Vorteile, was in stärkerem oder schwächerem Maße mit Machtgenuss einhergeht, ferner eine Art Besessenheit, ein Kollektivbazillus, der das menschliche Reflexionsvermögen eliminiert, wobei eigentlich alle diese Spielarten der inneren Unfreiheit auf den Verlust des Wahrheitsgewissens zurückgehen. Gegen seelische Erkrankungen helfen keine guten Argumente. Der Forderungskatalog, der an die einschlägigen Kreise herangetragen wird, kommt dort gar nicht an. Es ist erschütternd, mitanzusehen, wie die Vernunft zerfällt. Selbst diejenigen, die das vorantreiben, werden in der brutaltechnologischen Zukunft kaum ihr menschliches Glück finden können. Wie uns die Geschichte zeigt, lässt sich ferner kein Gewaltregime auf Dauer erhalten, wofür nicht zuletzt die Sterblichkeit der Machthaber sorgt. Dass es aber immer wieder versucht worden ist, muss irgendwie damit zu tun haben, dass der Mensch nicht ganz bei sich ist, wobei es gegenwärtig zwischen Herrschern und Beherrschten erschreckende Koinzidenzen gibt, wie es in Deutschland vor noch nicht langer Zeit der Fall war. Die Dimension der Ereignisse geht also weit über das politische Leben hinaus. Die berechtigten politischen Forderungen sollten daher Motive einbeziehen, die ein anderes Zivilisationsprinzip formulieren. Man kann durchaus nicht darauf vertrauen, dass ohne den Begriff einer mentalen Entwicklung, die neue Einsichten gewinnt, ein echtes Gemeinschaftsleben aufkommen kann.
Das materialistische Wirklichkeitsbild der letzten Jahrzehnte, das der Bevölkerung theoretisch und visuell eingebleut wurde, lebt sich nun ganz praktisch und multimedial äußerst attraktiv dar. Die leeren Köpfe verhungern seelisch und wissen mit sich nichts mehr anzufangen. Die Geisteswissenschaften sind eigentlich dazu berufen, tragende Geistbegriffe zu erarbeiten. Doch kann man in der Universität recht seltsamen Erscheinungen begegnen. Zum Beispiel einen Philosophieprofessor, der es bedauert, jetzt bei der sommerlichen Hitze seine Vorlesung halten zu müssen und nicht im Biergarten sitzen zu können. Oder Hegel-Dozenten, die es auf Biegen und Brechen darauf anlegen, der „Phänomenologie des Geistes“ den Geist auszutreiben. Was daraus folgt, ist eine babylonische Sprachverwirrung, wo man sich in der Tat gegenseitig das Ergebnis bestätigt.
Auch die Studenten scheinen sich mit dem Ungeist arrangiert zu haben und streben mehrheitlich eine Karriere an. Wehe wenn sie losgelassen, kann man da nur sagen. Denn sie werden, da sie in ihrer Ausbildung kaum anderes kennengelernt haben, als das, was auswendig gelernt werden kann, zu idealen Erfüllungsgehilfen der smarten Zukunft. Es werden stets weniger Menschen da sein, von denen man hofft, dass sie Führungspositionen für eine humane Welt einnehmen.Was hat diese Schilderung mit den aktuellen, uns rund um die Uhr verfolgenden Problemen zu tun? Nun, eine Gesellschaft, die sich in Freiheit begründet, ist nur zu haben, wenn die Freiheit gedacht, gewollt und durch ausstrahlende Institutionen, wie es die Universität einst war, geschützt wird. Man kann aber heute bloß noch als Wissenschaftler gelten, wenn man durchblicken lässt, dass der Terminus „Mensch“ eigentlich ein Euphemismus ist. Es ist noch nicht lange her, dass Herr Scobel in seiner gleichnamigen Fernsehsendung vom Menschen als von einer Affenart sprach. In der Regel sagt man das nicht so deutlich, – es ist ihm wohl herausgerutscht. Wer sich freilich aufgrund der überaus wirkmächtigen Propaganda für ein höheres Tier mit Endlichkeitsperspektive halten muss, der überlässt das Handeln entweder noch höheren Tieren, oder legt es darauf an, sich als „Obertier“ zu gerieren, wofür in der Fauna passende Vorbilder zu finden sind. Jedenfalls dürften diejenigen in der Wissenschaft größere Probleme bekommen, die es wagen, die in jeder Sparte bestehende „rote Linie“ zu überschreiten. Im Gesamtbild zeigt sich, dass wir zunehmend in einer Zwangsgesellschaft leben, d.h. etwas wie Freiheit wird nur noch in der „Europa-Hymne“ besungen oder unter banalen Vergnügungsritualen verbucht. Mit dem schnellen Internet (G5) und der künstlichen Intelligenz werden bald noch die letzten Reste einkassiert.
Sicherlich soll und muss den immer absurderen Anwandlungen der Mächtigen entgegengetreten werden. Den Menschen, die das unsägliche Lügengewebe publik machen, gilt unser besonderer Dank. Die sogenannte „Krise“ führt nun eben dazu, dass jeder Mensch Stellung beziehen muss. Es ist damit ein Bewusstsein bildender Impuls verbunden, der natürlich auch verschlafen werden kann. Die Kräfte und Mächte, die sich bisher eher im Verborgenen betätigen konnten bzw. es verstanden haben, ihre Absichten zu kaschieren, treten mittlerweile ungeschminkt ans Licht der Öffentlichkeit. Man hat das Gefühl, eine unsichtbare Hand sorgt dafür, dass „alles raus kommt“. Geistige Impulse zeigen sich unter Umständen auch im negativen Gewand. Denn eben dadurch ist die wahre Freiheit gewahrt, die zum Guten oder Schlechten ausschlagen kann. Mit dem allzu gedankenlosem Dahinleben scheint es jedenfalls vorbei zu sein.
Doch müssen alle eine „Alltagsmaske“ tragen, müssen das Gesicht voreinander verhüllen und Abstand wahren. Es soll damit verhindert werden, dass sich ein menschlicher Gedanke Bahn bricht und eine Humanisierung der sozialen Verhältnisse weiter um sich greift. Der raffinierte Plan, einen objektiven Grund für die Ausübung von Macht vorzuschützen, wird zum Probierstein eines jeden Menschen, wie er zu sich selbst steht. Da die Initiatoren ihre Kampagne nicht mehr ohne Schuldeingeständnis beenden können, müssen sie in dem Maße aggressiver vorgehen, in dem sich fundamentaler Widerstand regt. In der Konsequenz heißt dies, dass, wenn die verbalen Schmähungen und „gesundheitsdienlichen“ Anordnungen ausgereizt sind, nur noch der Ausweg bleibt, die Ewigkeitsklausel des Grundgesetzes aufzuheben. Man kann gespannt sein, wie sich dann die „Gebildeten“ verhalten, wenn doch, nebenbei bemerkt, die Ewigkeitsklausel auch der göttlichen 10 Gebote längst schon in Auflösung begriffen ist.
Der Zerfall einer halbwegs geordneten bürgerlichen Zivilisation wird zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führen. Menschen, die in die Verzweiflung und Verarmung gestoßen werden, kommen entweder unter die Räder oder verhalten sich kampfbereit. Abzuwenden wäre das nur, wenn die bisher privilegierten Institutionen und die Medien sich erkennbar gegen die Machthaber richten. Zwar kann man Einzelnen die Lebensbasis entziehen, jedoch nicht einer sich artikulierenden Mehrheit. Es geht daraus eindeutig hervor, dass es auf Bewusstseinsbildung, Moralität und Zivilcourage ankommen wird. Die geisteswissenschaftliche Fraktion, die über 3000 Jahre altes Kulturgut verfügt, sollte den wahren Freiheitsgedanken im persönlichen Vorbild lehren und schützen.
Tritt doch in der Ödnis und Sinnlosigkeit einer reinen Konsumgesellschaft der höhere Wertgehalt einer schöpferischen Erkenntniskultur idealistischer Prägung deutlicher hervor. Wer damit keine mögliche „Renaissance“ verknüpft, läuft Gefahr, zuletzt den gleichen Kräften zu unterliegen, die er meint auf politischem Feld sinnhaft bekämpfen zu können. In der Reduktion auf „Gegnerschaft“ wird sich der Mensch selbst zum Gegner.
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